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BMF-Schreiben vom 15.11.1988 – IV C 5 – S 1316 – 67/88 zur Besteuerung der EWIV in Deutschland

Die nachfolgenden Ausführungen sind als Information über die neue Rechtsform gedacht. Der Rat der Europäischen Gemeinschaften hat am 25.7.1985 die „Verordnung über die Schaffung einer Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV)“ beschlossen (ABl EG Nr. L 199 vom 31.7.1985 S. 1) und damit eine neue Rechtsform des europäischen Gesellschaftsrechts geschaffen.

Die Verordnung ist nach Art. 189 Abs. 1 des EWG-Vertrags in allen Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der EG, setzt also unmittelbar anwendbares Recht.

Gemäß ihrem Art. 43 tritt sie ab 1.7.1989 in Kraft. Am 1.1.1989 tritt das Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung (EWIV-Ausführungsgesetz) in Kraft (BGBl 1988 I S. 514).

I. Allgemeines
Nach § 1 EWIV-Ausführungsgesetz sind auf eine EWIV mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland, so-weit auf Grund der Verordnung oder des Ausführungsgesetzes nichts anderes gilt, die Vorschriften über die offene Handelsgesellschaft anzuwenden. Dies gilt nach der Gesetzesbegründung für alle Rechtsgebiete, insbesondere auch für das Steuerrecht. Die EWIV hat den Zweck, die wirtschaftliche Tätigkeit ihrer Mitglieder zu erleichtern. Sie hat nicht den Zweck, Gewinn für sich selbst zu erzielen. Das Ergebnis ihrer Tätigkeit darf nach Art. 40 der EWG-Verordnung nur bei ihren Mitgliedern besteuert werden.

II. Ertragsteuerliche Behandlung
§ 1 EWIV-Ausführungsgesetz stellt klar, dass EWIV auch außerhalb des sachlichen Geltungsbereichs der EWG-Verordnung wie offene Handelsgesellschaften zu behandeln sind. Die EWIV unterliegt somit als Personengesellschaft nicht der Einkommensteuer und ist insoweit nicht Steuersubjekt. Sie ist jedoch als Personengesellschaft für Einkommensteuer oder Körperschaftsteuern soweit steuerrechtlich von Bedeutung, als sie in der Einheit ihrer Gesellschafter Merkmale eines Besteuerungstatbestandes verwirklicht, welche den Gesellschaftern für deren Besteuerung zuzurechnen sind (Beschluss des Großen Senats v. 25.6.1984, BStBl II S.751).

Die Behandlung der EWIV im Wege einer gesetzlichen Fiktion als offene Handelsgesellschaft und ihre Eintragung in das Handelsregister könnten allenfalls eine Vermutung begründen, dass gewerbliche Einkünfte vorliegen. Eine solche Vermutung kann aber bisher schon durch den Nachweis widerlegt werden, dass die Personengesellschaft eindeutig kein Handelsgewerbe betreibt (Abschn. 28 Abs. 2 Satz 5 EStR unter Hinweis auf die BFH-Urteile v. 16.9.1958, BStBl III S. 462 und v. 9.7.1964, BStBl IIIS. 539).

Die Frage, ob eine durch Angehörige der freien Berufe für ihre betrieblichen Zwecke gegründete EWIV Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb vermittelt, ist daher unter Berücksichtigung der allgemeinen Abgrenzungsgrundsätze nach der Tätigkeit der EWIV zu beurteilen. Ist die EWIV im Einzelfall gewerblich tätig, z. B. durch Beteiligung eines Berufsfremden oder durch Einbringung von Leistungen gegenüber Nichtgesellschaftern, bleibt die Tätigkeit der Freiberufler selbst davon unberührt (vgl. dazu die Verwaltungsanweisung zur Ausgliederung des Arzneimitteleinkaufs aus tierärztlichen Gemeinschaftspraxen in eine Personen und beteiligungsidentische Personengesellschaft – BMF v. 7.9.1981 – IV B 7 – G 1400 – 15/81 ? und zur Ausgliederung des Verkaufs von Kontaktlinsen und Pflegemitteln aus einer augenärztlichen Gemeinschaftspraxis – BMF v. 19.10.1984 – IV B 4 – S 2246 – 23/84 – StEK Nr. 41 und Nr. 53 zu § 2 Abs. 1 GewStG und BStBl 1984 I S. 588).

Nach § 15 Abs. 2 EStG kann nur eine Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und die die übrigen dort genannten Voraussetzungen erfüllt, zur Erzielung von Einkünften aus Gewerbebetrieb führen. Nach Art. 3 Satz 1 2. Halbsatz der EWG-Verordnung hat die EWIV nicht den Zweck, Gewinn für sich selbst zu erzielen.

Es reicht jedoch für die Gewinnerzielungsabsicht nach § 15 Abs. 2 EStG aus, wenn diese Absicht nur ein Nebenzweck ist. Außerdem sind nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG auch die Vergütungen, die die Gesellschafter von der Gesellschaft für ihre Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen haben, in die Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Gesellschafter einzubeziehen. Sie sind deshalb auch bei der Beurteilung der Frage zu berücksichtigen, ob eine EWIV mit Gewinnerzielungsabsicht tätig wird. Wird eine EWIV mit Gewinnerzielungsabsicht tätig, ist ihr etwaiger Gewinn/Verlustnach §180 Abs.1 Nr. 2 Buchst. a AO gesondert festzustellen. Handelt es sich bei einer EWIV nicht um ein Gewinnerzielungssubjekt, kann ihr Gewinn nur nach der VO zu § 180 Abs. 2 AO v. 19.12.1986 (BStBl 1987 IS. 2) einheitlich und gesondert festgestellt werden.

III. Vermögenssteuerliche Behandlung
Die EWIV ist keine juristische Person des privaten Rechts, unterliegt als solche somit nicht der Vermögensteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 VStG). Wird eine EWIV mit Gewinnerzielungsabsicht tätig, so ist – sofern es für eine Besteuerung von Bedeutung ist – der Einheitswert des Betriebsvermögens gesondert und einheitlich festzustellen (§§ 19, 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG, §§ 179 Abs. 2 Satz 2, 180 Abs. 1 Nr. 1 AO).

Wird eine EWIV nicht mit Gewinnerzielungsabsicht tätig, ist der Wert der vermögenssteuerpflichtigen Wirtschaftsgüter und der Wert der Schulden und sonstigen Abzüge unter den Voraussetzungen des § 180 Abs. 1 Nr. 3 AO gesondert festzustellen. Die so festgestellten Werte fließen dann in den Einheitswert ein, der für den Betrieb des Mitglieds der EWIV festzustellen ist.

IV. Behandlung bei der Grundsteuer
Nach Art. 1 Abs. 2 EWG-Verordnung kann die EWIV Träger von Rechten und Pflichten jeder Art sein. Etwaiger Grundbesitz wird ihr zugerechnet. Der Grundbesitz unterliegt der Grundsteuer. Dies gilt auch bei einer ausländischen EWIV mit inländischem Grundbesitz.

V. Behandlung bei der Umsatzsteuer
Umsatzsteuerlich hat die EWIV grundsätzlich Unternehmereigenschaft. Daran ändert auch nichts, wenn im Einzelfall die Absicht fehlt, Gewinn zu erzielen, und die EWIV nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird (§2 Abs.1 UStG).

VI. Behandlung bei der Gesellschaftsteuer
Bei der EWIV handelt es sich nicht um eine Kapitalgesellschaft im Sinne des Kapitalverkehrssteuergesetzes. Einlagen in eine EWIV unterliegen nicht der Gesellschaftsteuer.

VII. Behandlung bei der Gewerbesteuer
Hinsichtlich der Frage, ob Gewerbebetriebseigenschaft vorliegt, ist das für die ertragsteuerliche Behandlung der EWIV Gesagte zu beachten. Im Übrigen ist eine Änderung des Gewerbesteuergesetzes vorgesehen.

VIII. Behandlung nach den Doppelbesteuerungsabkommen
Hier sind die Vorschriften zu beachten, die nach den Doppelbesteuerungsabkommen mit den EG-Partnern für die Besteuerung von Personengesellschaften und ihren Gesellschaftern gelten.

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